Tragetuch oder Trage – was ist die bessere Variante?

Wenn es darum geht, in welchem Produkt ein Baby am besten von A nach B getragen wird, scheiden sich oft die Geister. Dabei schadet ein wenig Information zu beiden Varianten – Tuch und Trage – überhaupt nicht. Denn so wird jeder für sich schnell entscheiden können, welches Produkt für ihn das beste ist.
Im folgenden Beitrag möchte ich Euch jeweils die Vor- und Nachteile beider Optionen vorstellen und Euch von unseren Erfahrungen berichten.

Tragetuch – viel Stoff und viel Aufwand?

Zu Beginn unserer Schwangerschaft haben wir einfach aus Spaß eine Babymesse besucht. Ich erinnere mich noch, dass wir an einem Stand mit Tragetüchern vorbeikamen, an dem gerade eine Präsentation des Tuchanlegens stattfand. Wir blieben stehen und schauten dem Spektakel zu. Ganz ehrlich: Ohne Ahnung und Vorwissen kam uns das vorgeführte Anlegen wirklich mehr als komödiantisch vor. Da sind gefühlte 40 Meter Stoff, die es in wahnsinnig komplizierten Arten um den eigenen Körper zu schlingen und zu knoten gilt. Um am Ende ein 3,5kg Baby darin kaum noch erkennen zu können. So war damals unser Eindruck – und damit war das Thema Tragetuch für uns abgehakt. Außerdem viel zu öko. Fehlt nur noch die vorn geschlossene Birkenstockschlappe und ne bunte Pluderhose. Ja, so engstirnig dachten wir damals. Heute muss ich zugeben, dass wir sicherlich auch mit einem Tragetuch wunderbar klargekommen wären. Denn es sind nicht 40 Meter – die gängigsten Tragetücher sind lediglich 5 Meter lang. Und mit etwas Übung geht das auch ganz fix (Ihr solltet Euch auf jeden Fall eine Trageberaterin suchen oder Eure Hebamme um Rat bitten für den Anfang!).

Welche Vorteile hat ein Tragetuch?

Aber mal konkret: Welche positiven Argumente bringt ein Tuch mit sich? Hier mal alles auf einen Blick:

  • Bei richtiger Bindetechnik wird die so wichtige Anhock-Spreiz-Haltung (auch M-Haltung) perfekt erreicht
  • Ab dem ersten Lebenstag verwendbar (bei korrekter Anwendung – bitte unbedingt Tragebraterin oder Hebamme ansprechen!)
  • Weiches, anschmiegsames Material ohne feststehende Positionen – für Mama und für Papa gleichermaßen nutzbar und ein tolles Gefühl, das Baby so nah und kuschelig bei sich zu haben
  • Viele Anbieter produzieren Tragetücher in verschiedenen Materialien (Seide, Baumwoll-Mix, Bambus etc.). So ist für jede Jahreszeit etwas dabei
  • Anwendbar bis zu 15 Kilo (bitte auf Produktbeschreibung achten – maximale Belastung variiert je nach Hersteller)
  • Platzsparendes Produkt: Ein leichtes Tuch, einfach zusammenzulegen – auf Reisen oder für unterwegs sehr praktisch. Manche Tücher sind so dünn und leicht, dass sie auch einfach in die Handtasche passen. Im täglichen Gebrauch werdet Ihr diese Eigenschaft zu schätzen wissen
  • Bereits gebundenes Tragetuch kann für eine kurze Autofahrt einfach angelassen werden – das erspart das neue Anlegen und Binden nach der Autofahrt, denn Euer Kind muss nur noch wieder reingesetzt werden (natürlich NUR das Tuch im Auto umgebunden lassen – Euer Baby gehört für die Autofahrt in die Babyschale! Aber das sollte ja selbstverständlich sein 😉 )

Was ist die Anhock-Spreiz-Haltung

Hebt mal Euer Neugeborenes hoch und achtet dabei darauf, welche Haltung es dabei automatisch einnimmt. Genau, es zieht die Beine hoch, so dass die Knie auf Nabelhöhe und die Oberschenkel leicht abgespreizt sind. Die Anhock-Spreiz-Haltung ist also etwas, das in den Kindern von Geburt an verankert ist. Sie liegt begründet in der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen (wie so vieles, was kleine Babys so tun…) und ist dafür vorgesehen, dass das Kind auf der Hüfte eines Erwachsenen getragen werden kann. Physiologisch also die beste Haltung für den Säugling, wenn er getragen wird. Darum sollte diese Haltung auch im Tuch respektive der Babytrage umgesetzt werden, denn sie unterstützt die natürliche Entwicklung der Wirbelsäule und der Hüften des Kindes.

Hier seht Ihr übrigens ein gutes Erklärvideo für das Binden der beliebten Wickelkreuztrage:

Nachteil des Tragetuchs

Das unbedingt zu erwähnende Manko des Tuchs: Es ist nicht so einfach anzulegen und erfordert neben der fachmännischen Beratung auch sicherlich Übung und noch mals Übung. Bevor Ihr also ein Tragetuch am lebenden Objekt (also Eurem Baby) anwendet, übt es vorher. Lasst Euch unbedingt zum Thema Tragetuch beraten. Es gibt sicherlich auch in Eurer Nähe eine zertifizierte Trageberaterin. Oder aber Eure Hebamme kennt sich gut aus und kann Euch das korrekte Anlegen und Binden zeigen. Bei uns war es so, dass innerhalb unseres Geburtsvorbereitungskurses eine Kursstunde dem Tragen gewidmet wurde. Die kursleitende Hebamme brachte diverse Trage-Produkte mit und wir konnten – unter fachmännischer Anleitung – vieles ausprobieren und uns schon VOR der Geburt eine Meinung bilden, was am besten zu uns passt. Aufgrund unserer Erfahrung auf der Babymesse  – Ihr erinnert Euch, öko und 40 Meter und so – waren wir dem Tragetuch noch immer etwas skeptisch gegenüber. Und uns schreckte wirklich das anfänglich unheimlich kompliziert wirkende Anlegen nach wie vor ab. Unsere Wahl fiel also damals auf eine Trage. Warum genau und welche Vorteile eine Babytrage so mit sich bringt, das erkläre ich Euch im übernächsten Absatz. Jetzt kommen wir erst noch zu Folgendem:

Unsere Erfahrungen mit einem Tragetuch

Als unser Sohn so ca. 10 Monate alt war, probierte ich während eines Mom-Dates (Frühstück unter Mamas mit Babys ;-)) ein von einer Freundin mitgebrachtes Tragetuch aus – und mein Kleiner fand es witzigerweise irgendwie angenehm – obschon er bis dahin nur eine Babytrage kannte (mehr dazu später). Die Argumente „ist schnell eingepackt, leicht, immer dabei“ überzeigten mich und ich bestellte uns auch ein Tuch. Mit dem Manduca Sling* Tuch probierte ich es also fortan als Tuch-Tragemama. Die Betonung liegt aber auf „probieren“. Unser Sohn war mit seinen 10 Monaten schon recht aufgeweckt, und das lockere Sitzen in dem Tuch und doch deutlichere Geschaukel beim Laufen bereitetem ihm zwar gute Laune (er hüpfte quasi bei jedem Schritt freudig mit), aber er kam überhaupt nicht zur Ruhe. Doch genau DAS wollte ich mit dem Tuch erreichen, ist er doch in der Trage eigentlich IMMER nach wenigen Minuten eingeschlafen. Bei der Tuchvariante war daran aber nicht zu denken. Im Gegenteil, er zog auch dauernd seine Ärmchen aus dem Tuch und fuchtelte damit herum. Für mich wurden Spaziergänge somit eher zur astreinen Sporteinheit – und ich merkte es leider auch deutlich im Rücken. Und nein – ich habe keinerlei Fehler beim Anlegen gemacht. Das Tuch war einfach zu elastisch für meinen Sohn. Somit waren nach vier Wochen Probezeit unsere Tage des Tuchs gezählt. Und wir trugen den Spross wieder ausschließlich und weiterhin erfolgreich in seiner geliebten Babytrage.

Babytrage – die schnellere Variante

Schon in der Trage-Probestunde in unserem Geburtsvorbereitungskurs haben wir uns sofort in eine bestimmte Trage verguckt und wussten, dass es diese werden muss. Es handelt sich dabei um den Bondolino von Hoppediz*. Die Gründe möchte ich Euch kurz auflisten:

  • Ebenfalls ab Geburt nutzbar dank stufenlos verstellbarem Steg
  • Weich und anschmiegsam wie ein Tragetuch, aber deutlich leichter und schneller umzulegen
  • Die gesunde Spreiz-Anhock-Haltung ist bei richtiger Verwendung immer garantiert
  • Stufenlos verschließbarer Klett-Hüftgurt – bei Trägerwechsel muss nichts neu eingestellt werden (viele Tragen werden mit Schnallen auf den Träger eingestellt und erschweren so den Trägerwechsel, da alles neu eingestellt werden muss)
  • Angenehmer Stoff, der nicht zu viel Wärme entwickelt (besonders für meinen Mann, dem im Sommer schnell zu heiß ist, ein wichtiges Argument)
  • Weiche, breite und rückenschonende Schultergurte
  • Nutzbar bis ca. 20kg  – somit auch noch für größere Babys bzw. Kleinkinder nutzbar (später kann auch auf den Rücken gewechselt werden)
Mann mit Babytrage trinkt Kaffee
Wenn das Baby schläft, kann unbedenklich eine Kaffee-Pause im Sitzen gemacht werden

Nachteile der Babytrage

So eine Trage ist in den meisten Fällen viel Stoff und Gedöns. Alles „zusammengefaltet“ liegt ein ganz schöner Klumpen vor einem, der viel Platz einnimmt. Ist also nicht mal so eben mitgenommn, so eine Trage. Je nachdem, für welche Trage man sich entscheidet, erhält man außerdem nicht unbedingt dieses weiche, angeschmiegte Gefühl, wie es mit einem Tragetuch erreicht wird. Einige Tragen sind durchaus unflexibel und können beispielsweise auch nicht ab dem ersten Lebenstag verwendet werden. Ein Tuch ist die weichste und kuscheligste Variante für alle Beteiligten. Eine Trage kann dieses Gefühl nur bedingt herstellen. Mit unserer Trage allerdings waren wir unheimlich zufrieden, und unser Sohn hat sich sehr geborgen gefühlt. Er hat sich auch immer richtig angekuschelt und war wohlig warm – selbst im Winter.

Mann und Frau mit Baby in Trage an Strand
Er hat sich immer wohl gefühlt – selbst an der kalten Nordsee im März (also ER, unser Sohn 😉 )

Hilfe, mein Baby bekommt keine Luft – einige Tragemythen

Wenn es um das Thema Tragen geht, gibt es unheimlich viele Meinungen und auch Vorurteile, die sich hartnäckig halten. Wir wollen Euch ermutigen, einfach darüber hinwegzuhören und auf Euer Bauchgefühl zu vertrauen. Ihr werdet nämlich sehr schnell merken, ob Euer Baby ein Tragebaby ist und das Tragen liebt oder sogar braucht (Stichwort Schreibaby oder auch Einschlafhilfe). Und dann tragt Euer Baby, wann immer es danach verlangt oder wann immer EUCH auch danach ist. Die ersten Lebensmonate unseres Sohnes ohne Trage? Unvorstellbar. Unseren ersten Heiligabend zu dritt – der Kurze war knapp drei Monate alt –  hat mein Mann unseren Spross gute vier Stunden am Stück getragen, mit ihm vor dem Bauch das Essen zu bereitet und auch so am Esstisch mit unseren Gästen gesessen und gegessen. Und allen ging es gut so. Also: Begegnet Euch einer dieser Mythen, so schaltet auf Durchzug oder erklärt freundlich, wie es wirklich ist:

  • „Dein Kind bekommt doch gar keine Luft!“ – Stimmt nicht. Natürlich sollte der Kopf nicht im Tuch oder der Trage verschwinden. Das Köpfchen ist zur Seite geneigt und die Nase ist frei. Dann bekommt Euer Baby hervorragend Sauerstoff
  • „Das ist doch viel zu kalt für Dein Kind ohne Jacke in der Trage!“ – Nein. Durch die direkte Körpernähe wird viel gegenseitige Körperwärme produziert. Das sollte man nicht unterschätzen – insbesondere nicht an wärmeren Tagen. Hier droht Überhitzung, wenn Ihr Euer Baby zu warm anzieht für die Trage / das Tuch. Achtet aber im Winter darauf, dass die Beine und Füße, die aus der Trage herausschauen und nicht durch Eure eigene Jacke bedeckt sind, ausreichend warm gehalten werden
  • „Dein Kind lernt doch nie zu krabbeln, wenn Du es andauernd trägst!“ – Äh, ja, genau. Das lassen wir einfach unkommentiert. Wir verstehen uns 😉
  • „Dein Baby wird ein total anhängliches Mama-Kind, so oft, wie Du es Dir vor den Bauch schnallst!“ – Erneut: Durchzug und tschüss!

Ihr Lieben, was das Tragen betrifft, so hört auf Euer Bauchgefühl. Wer sich schon vor der Geburt festlegen möchte, dem empfehle ich das Aufsuchen einer Trageberatung, vielleicht sogar einer Babymesse. Seid aber dann bitte etwas unvoreingenommener als wir 😉 Mit einem Tuch, dass Ihr Euch vor der Geburt besorgt und Euch fachmännisch erklären lasst, macht Ihr für die ersten Wochen nach der Geburt sicherlich nichts falsch. Seid Ihr so gar nicht der Tuch-Typ, so kann ich Euch nur unsere Trage ans Herz legen (Bondolino von Hoppediz*).

Mann von hinten mit Babytrage
Bester Begleiter im Urlaub – unsere Trage (und mein Mann natürlich auch!)
Mann mit Baby in Trage vor BVB Stadion
Selbst am BVB Stadion wird fleißig getragen

Wir hoffen, dass Euch unser Artikel geholfen hat. Habt Ihr noch Anregungen, die Ihr gerne loswerden möchtet? Oder gar Kritik? Wir sind offen für alles. Ansonsten freuen wir uns über ein paar nette Kommentare und Erfahrungsberichte, solltet Ihr unserer Empfehlung gefolgt sein.

Macht’s richtig und bis bald,

Eure Judith

P.s.: Wir geben Euch hier zwar Tipps und wissen viel – aber wir sind noch lange nicht unfehlbar 😉 Solltet Ihr also auf dem ein oder anderen Bild eine fehlerhafte Tragehaltung unsererseits entdecken, so seht es uns bitte nach.

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