Sprachentwicklung bei Babys und Kindern – Expertenbeitrag

Die Sprache ist von Geburt an ein wichtiges Bindeglied in der Eltern-Kind-Beziehung. Auch wenn die kleinen Wesen erst nach vielen Monaten in der Lage sind, über Sprache ihre Wünsche und Bedürfnisse zu äußern, so sind von Geburt an die Stimmen der Eltern von besonderem Interesse. Babys sind „ganz Ohr“, wenn Mama oder Papa sprechen. Aber ab wann sprechen Kinder eigentlich? Und wie genau lernen Kinder zu sprechen?

In diesem Expertenbeitrag möchten wir Dir zeigen, wie Dein Kind sprechen lernt, wie Du es auf seinem Weg optimal begleiten und eventuelle Sprachstörungen frühzeitig erkennen kannst.

Der nun folgende Artikel wurde verfasst von Patricia Pomnitz. Als Sprachtherapeutin & Therapiewissenschaftlerin (M.Sc.) bietet Patricia auf Sprachgold Expertenwissen rund um das Thema Sprachentwicklung in Form von Online Beratungen, Coachings sowie Video-Kursen an.

Sprachentwicklung Kinder – Grundvoraussetzung für das spätere Leben

Die Entwicklung von Sprache, Bewegung, Sehen, Hören, Tasten, Denkvermögen, Persönlichkeit, Sozialverhalten und emotionaler Kompetenz gehen Hand in Hand. Sprache ist eine wichtige Voraussetzung für andere Dinge – wie den Austausch mit anderen, das komplexe Denken, das Problemlöseverhalten sowie das Lesen und Schreiben. Durch Sprache kann Dein Kind sich die Welt gedanklich erschließen. Es lernt durch Sprache, mit Gefühlen umzugehen, sie zu verarbeiten und auszudrücken.

Störungen der Sprache beeinflussen daher nicht nur das Sprechen, sondern generell das Miteinander mit Anderen, das Lernen, die Schulleistung und die emotionale Entwicklung.

So komplex die Sprachentwicklung auch ist – es ist ein faszinierender Prozess! Und Sprechenlernen beginnt nicht erst dann, wenn ein Kind anfängt, Laute oder Wörter zu produzieren ….

Bunte Bauklötze V B H D Z Stapel mit Buchstaben
Der Weg von den ersten Lauten bis hin zum Lesen und Schreiben ist lang und spannend!
Foto © Susan Holt-Simpson on Unsplash.com

Meilensteine der Sprachentwicklung

Sprachentwicklung beginnt im Mutterleib

Die Grundlagen der Sprachentwicklung werden bereits vor der Geburt gelegt. Beim Trinken des Fruchtwassers trainiert das Ungeborene die Muskeln zur Bildung von Sprachlauten. Ab etwa der zweiten Schwangerschaftshälfte ist es in der Lage, akustische Reize wahrzunehmen.
Kaum ist das Baby auf der Welt, erinnert es den Schall, den es vor der Geburt im Mutterleib gehört hat und baut auf diesem Wissen auf. So können Neugeborene die sanfte Stimme ihrer Mama eindeutig von anderen Frauenstimmen unterscheiden, erkennen die Stimme des Vaters, der Geschwister und die bekannten Geräusche aus der Umgebung, die wiederum Vertrauen und Geborgenheit vermitteln. Forscher haben zudem
herausgefunden, dass Säuglinge bereits im Alter von einem Monat zwischen Lauten unterscheiden können, z. B. den Unterschied zwischen „pa“ und „ba“.

Sprachentwicklung ab Geburt bis zum 9. Lebensmonat

Bei der Geburt ist das menschliche Ohr also bereits vollständig entwickelt. Das Baby nutzt diese Anlagen maximal aus, indem es sich den Stimmen aktiv zu oder abwendet, Töne und Klänge interpretiert und den Klang der menschlichen Stimme imitiert.
Die erste Lautäußerung des Neugeborenen ist der Neugeborenenschrei. Und das Schreien bleibt für einige Monate das stärkste Ausdrucksmittel, mit dem sich das Kind „zu Wort meldet“. Zwischen dem 4. und 9. Lebensmonat wird das sogenannte „Lallstadium“ erreicht, in dem die Verdopplung von einfachen Silben (Lautketten wie „dada“ oder „mamama“) im
Vordergrund steht. Anfangs kann man bei allen Säuglingen auf der Welt dieselben Laute hören und vermag nicht die Nationalität des Babys zu erkennen. Dann passen sie sich dem Regelwerk der jeweiligen Umgebungssprache an, indem sie nur noch Laute ihrer Muttersprache produzieren und die Silben entsprechend betonen.

Baby mit Bauklotz im Mund blaue Augen
Schon die Allerkleinsten finden Sprache faszinieren. Auch wenn dieser Wonneproppen aktuell lieber Buchstaben ablutscht 😉 Foto © Colin Maynard on Unsplash.com

Sprache bei Babys und Kindern – 9. bis 36. Lebensmonat

Auch wenn Babys noch nicht sprechen können, verstehen sie dreimal so viele Wörter. Das Sprachverständnis entwickelt sich circa im 9. bis 12. Lebensmonat. Das Baby realisiert, dass Dinge und Personen einen Namen haben, und speichert diese ab. Mit der Zeigegeste verdeutlicht es uns, dass es den Namen von etwas noch einmal hören möchte.

Der Wortschatz eines jeden Kindes hängt vom jeweiligen Sprachangebot an das Kind ab. Bis 1,5 Jahren bauen die Kinder langsam ein kleines Vokabular von 50 Wörtern auf, in dem Sie jede Woche 3-5 neue Wörter sprechen.
Danach treten Sie in den sogenannten Wortschatzspurt. In dieser Entwicklungsphase lernen sie bis zu zehn neue Wörter täglich. Ein 24 Monate altes Kind verfügt bereits über ein passives Vokabular von ungefähr 300 Wörtern. Im Alter von drei Jahren sprechen die
Kinder bereits 500 Wörter aktiv.

Grammatikentwicklung bei Kleinkindern

Die Grammatikentwicklung kann in fünf Entwicklungsphasen beschrieben werden. Sie schreitet kontinuierlich und langsam von Einwort- zu Zweiwortäußerungen („Milch haben, Papa weg“) im zweiten Lebensjahr voran, um sich dann im dritten Lebensjahr rasant über Mehrwortäußerungen („Ich kaufe Erdbeeren.“) zum komplexen Satz („Du kannst schneller rennen, weil du größer bist.“) zu entfalten. Mit dem vierten Geburtstag ist der Grammatikerwerb weitestgehend abgeschlossen.

Sprachstörungen bei Kindern – so begleitest Du Dein Kind optimal

Besonders wichtig ist der Zeitraum bis zum 24. Monat. Fehlen hier sprachliche Anreize, kann es zu Entwicklungsauffälligkeiten kommen, die später nur noch schwer zu beheben sind. Daher ist ein Abwarten bei sprachlichen Problemen auch keine Alternative. Je früher und qualifizierter betroffene Familien unterstützt werden, desto eher ist dem Kind geholfen, seine Chancen auszuschöpfen und den Rückstand aufzuholen. Solltest Du Dir also Sorgen bezüglich der Sprachentwicklung Deines Kindes machen, dann höre auf Dein Bauchgefühl und hole Dir Hilfe – Du kennst Dein Kind am besten!

Mutter und Tochter flüstern Locken Curly hair
Begleite Dein Kind von Anfang an ganz eng in Sachen Sprache. So unterstützt Du am allerbesten das Erlernen der Kommunikation.
Foto © Sai de Silva on Unsplash.com

Sprachstörungen bei Kindern – mögliche Anzeichen erkennen

Ursachen für Sprachstörungen können vielfältig sein. Oftmals aber scheitert es schon daran, dass Eltern nicht frühzeitig oder gar nicht erkennen, dass ihr Kind ein Problem in der Sprachentwicklung haben könnte.

Hellhörig werden solltest Du daher, wenn Dein Kind:

  • mit einem halben Jahr verstummt und aufhört zu lallen
  • scheinbar nicht richtig hört, weil es z.B. nicht adäquat auf Ansprache reagiert, es zu Missverständnissen kommt, es häufig nachfragt, selbst eher laut ist oder Medien laut einstellt
  • mit 24 Monaten keine 50 Wörter aktiv spricht und keine Zweiwortäußerungen bildet („Papa weg“, „Ball da“). Diese Kinder nennt man Late Talker, und sie haben ein großes Risiko, dauerhaft Sprachprobleme zu zeigen
  • zur Verständigung vorwiegend Gesten und Geräusche statt Wörter nutzt
  • sich mit 2 Jahren noch viele Lautmalereien („ham“ ,“wau-wau“) im Sprechen zeigen
  • mit 3 Jahren unverständlich spricht und keine Mehrwortsätze bildet
  • mit 4 Jahren noch immer Grammatikfehler macht oder die Aussprache auffällig ist (Sprachlaute falsch bildet, durch andere ersetzt, auslässt oder motorisch falsch bildet)
  • unflüssig spricht, also Silben oder Laute wiederholt, Wörter mit Anstrengung herauspresst
  • ständig den Mund offen hat, durch den Mund atmet, Speichelfluss zeigt, ungern feste Nahrung kaut und schnarcht
  • beim Schreiben Silben und Buchstaben vertauscht und auslässt, Probleme beim Zusammenziehen von Buchstaben und Silben beim Lesen hat und viele Lesefehler macht oder den Sinn hinter dem Gelesenen nicht versteht
  • generell wenig Interesse an Kommunikation zeigt, keine Sprechfreude hat oder Kommunikationssituationen vermeidet
  • Konfliktsituationen häufig nicht angemessen lösen kann und frustriert oder wütend ist und Verweigerungsverhalten zeigt

Sprachförderung – so hilfst Du Deinem Kind beim Sprechenlernen

Das Sprachangebot der Umgebung ist enorm wichtig! Aus zahlreichen Studien wissen wir längst: Je besser das Sprachangebot der Eltern, desto leichter wird das Kind die jeweilige Sprache erlernen und desto besser werden seine späteren Sprach- und Lesefähigkeiten sein!
Spreche deshalb ab dem ersten Tag mit Deinem Kind, auch wenn es noch nicht antwortet – es nimmt Dein Sprachangebot auf und nutzt es für seine Sprachentwicklung.

Hier sind ein paar Tipps, die Dir dabei helfen, ein gutes Sprachvorbild für Dein Kind zu sein:

  • sei liebevoll und einfühlsam⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀
  • begebe Dich auf Augenhöhe⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀⠀
  • setze Körpersprache (Mimik und Gestik) ein
  • benenne, beschreibe und erkläre Dinge und Ereignisse in Eurem Alltag
  • unterbreche Dein Kind nicht und fordere es nicht zum Nachsprechen auf
  • ermuntere zum Sprechen, indem du Fragen stellst und geduldig zuhörst
  • erzähle Geschichten, lese viel vor und singt gemeinsam Lieder

Denke immer daran: Sprechen soll Spaß machen und Eure Bindung stärken. Biete Deinem Kind deshalb die Möglichkeit, die Freude an sprachlicher Kommunikation tagtäglich zu erleben!

zwei Mädchen Buch Natur Sonnenuntergang
Hier lief offenbar alles richtig: Beide Kinder haben Freude an Sprache und Lesen und erlernen gemeinsam Kommunikation.
Foto © Ben White on Unsplash.com

Bei konkreten Fragen und Anliegen rund um die kindliche Sprachentwicklung kannst Du Dich gern direkt an Patricia wenden. Du findest ihre Kontaktdaten und viele weiterführende Infos über www.sprachgold-online.de

Wir hoffen, unser erster Expertenbeitrag auf unserem Blog hat Euch gefallen und Euch vor allem einen Mehrwert geboten. Lasst uns gerne wissen, ob Euch Beiträge dieser Art von Fachleuten auf bestimmten Gebieten interessieren. Wir versuchen gern, weitere Gastbeiträge für Euch umzusetzen.

Viele Grüße von Judith & Sebastian

Titelbild © Photo by Picsea on Unsplash.com

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Sprachtherapeutin & Therapiewissenschaftlerin (M.Sc.)

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